Haarspalter- der Fockenblock

 

 

Juli 2021 - Amazon-Gründer Jeff Bezos auf Öko-Trip - Walhall ruft!

Es braust ein Ruf wie Donnerhall, der Bezos Jeff, der fliegt ins All!
Dort erreicht er Überschall, und kommt sehr nahe dem Walhall!
Ich armer Wicht, ich kann das nicht,
nehm' die Bahn, 2. Klasse, so ganz ganz schlicht!
Wir sollen doch sparen Ceh-Oh-Zwei, lieber Jeff Hi-Fly!
Sollt' uns Klimaschutz nicht doch vereinen?!
Hast du am Ende vielleicht nur einen kleinen
KNALL???

 

März 2021 - alle strampeln, nur die Bahn bleibt ganz ruhig

Kelkheim-Mannheim: 90 Kilometer, eigentlich. Fast kein Problem mit öffentlichem Nahverkehr. Aber das neue Büro liegt in Mannheim-Waldhof, a bisserl außerhalb, so sind's dann doch zweieinhalb Stunden An- und Abreise. Hm - wie kann man das verkürzen? Klaro, geht mit dem Trend und pack dein Rad ein! Jedoch... 

Wie bucht man ein Fahrradticket auf der DB-Seite??? Abitur reicht dafür eben doch nicht... So schlage ich am Frankfurter Bahnhof ohne Fahrradticket vor dem ICE auf. Und seltsam, eine Schaffnerin schnarrt mich im besten Feldwebelton an: Hamse n Fahrradticket? Sie weiß natürlich, vermutlich über irgendeine Buchungsseite, dass ihr Fahrradwaggon (im ICE ganz weit vorn) an diesem Morgen keinerlei Buchungen aufweist. "Dann könnse auch nicht mitfahren!" Vermutlich hätte sie dort erst den Waggon aufschließen müssen oder ähnliches... Tja, Pech. 

Mir wird empfohlen, die Regionalbahn oder dergleichen zu nehmen. Der Zug dampft ohne mich aus dem Bahnhof, kein Drama, iwo. Aber es bleibt dieses störende Gefühl: Dass die Bahner im ganzen Coronastress doch sehr cool bleiben. Ziehen ihren Stiefel durch wie eh und je, haben zwischenzeitig 25% des normalen Fahrgastaufkommens, aber keinerlei Kurzarbeit: Das heißt, sie arbeiten bei gleichem Gehalt deutlich weniger. Könnte man da nicht gegenüber Fahrgästen eine Spur flexibler sein? Nur so, zum Spaß? 

Auf der Plus-Seite muss man gleichwohl erwähnen, dass die Bahn uns einstweilen freie Zugwahl für gleiches Geld gewährt. Das ist besser als nichts. 

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2020

 

Juno 2020: Coronös - 1. FCKaiserslautern insolvent

Autsch, das tut weh: Der FCK ist pleite, insolvent. Noch ein Lockdown-Opfer (keine Spiele = keine Zuschauer = keine Einnahmen). Damit verschwindet ein heroischer Teil meiner Jugend im harten Licht der Gegenwart: JAWOHL, ich war FCK-Fan! Nach dem zweiten Abstieg in die 2. Bundesliga ließ, das muss ich gestehen, meine Liebe allmählich nach… je weniger man von den Roten Teufeln (!!!) in der Sportschau zu sehen und im Kicker zu lesen bekam, desto mehr ließ mein Interesse nach. Opportunistisch, nicht? Möglicherweise. Oder vielleicht einfach das Prinzip Schmerzvermeidung: Lieber mit einem Springseil hüpfen als mit Stacheldraht!

Nun sind sie also weg, ganz weg. Mein Mitleid gilt auch der Stadt Kaiserslautern. Der Verein hat leider jahrelang die arme (!) Stadt genötigt, ihm finanziell entgegenzukommen. Das Stadion zu übernehmen und vieles mehr. Und irgendwie schien der Kommune, umringt von vielen vielen Fans, auch nix anderes übrig: Die Show musste ja irgendwie weitergehen. Es hätte einer harten Kraftnatur im Rathaus bedurft, um von dieser Geisterbahn in’s finanzielle Elend abzuspringen. Und zu sagen: Wir können nicht mehr, helft Euch selbst, dann hilft Euch Gott! Welcher nette Mensch riskiert es, sich so unbeliebt zu machen? Es hätte jemand tun sollen: Kaiserslautern gehört zu den am höchsten verschuldeten Gemeinden der Republik. Schade!  

 

 

 

März 2020 - Trip, trip, die Seuche kommt...

Aus China, offensichtlich? Und nach Italien zurückreisende Chinesen (die dort leben) haben sie im Gepäck. Deshalb explodiert nun erstmal Norditalien. Haben uns die Chinesen laut und kräftig gewarnt? Nein, das haben Sie nicht. Über die WHO, die Weltgesundheitsorganisation, ließen sie verlauten, dass das Virus nicht durch menschlichen Kontakt wie Händeschütteln etc. übertragen wird. Was sich leider nicht bestätigt hat. Aber das offizielle China hat einfach das getan, was man dort in solchen Situationen immer tut: Das Gesicht wahren! (Wir? Nein, wir haben fast nichts damit zu tun... Alles nicht so wild!)

Im Westen denken wir gerne in "Menschheits"-Begriffen: in Ostasien, in China insbesonders ist das anders. Oder auch in Japan: Was ich am stärksten von der Fukushima-Katastrophe (AKW Explosion) erinnere: Dass der Kraftwerk-Betreiber erstmal ziemlich lange leugnete, dass radioaktives (Kühl-) Wasser ins Meer austrat, in riesigen Mengen. Nur wurde das Unternehmen dann von der Regierung gezwungen, Farbe zu bekennen, immerhin. 

Traditionell rückt der Mensch in Krisenzeiten zusammen, Motto: gemeinsam stehen wir das durch! Man kommt sich näher, zwangsläufig. Aber diesmal ist alles anders herum. Abstand wahren ist oberstes Gebot. Und das macht es so bitter. Die menschliche Nähe ist ein Gefährdungsfaktor geworden. Glücklich, wer einen Garten hat mit etwas Auslauf! Meine Empathie gilt vor allem jenen Eltern, die mit ihren Kleinen in der Wohnung eingesperrt sind. Mögen sie die Kraft zum Durchhalten haben!

 

2019

Berlin - ein Spaziergang mit Franzosen

Dezember 2019

Hauptstadtbummel mit französischen Freunden kurz vor Weihnachten. Pluspunkte machen die Weihnachtsmärkte, kalter Regen = Glühweinwetter! Erstaunen, dass das Denkmal für die ermordeten Juden in der Mitte der Stadt liegt - wo in Paris Triumphal-Architektur vorherrscht, die die Größe der Nation beschwört. Leichtes Wundern auch bei der Ankunft im Hauptbahnhof : auf der einen Seite liegt Europa ("Europa-Platz"), auf der anderen quasi Amerika, nämlich der George-Washington-Platz. "Washington, war das ein Deutscher?" Ha ha. Faszinierend: Das sogenannte Humbold-Forum. Es ist das wiederaufgebaute Stadtschloss der Hohenzollern; dort stand früher "Erichs Lampenladen", also der - sehr gründlich beleuchtete - Palast der Republik (DDR). Danach lange gar nichts. Die Mitte der Stadtmitte wirkt nun ausbalancierter, gefälliger; der Klassizismus von Museumsinsel über Schloss zu Oper, Dom und Humbold-Universität steht für eine ruhige historische Würde.

Dann ist da freilich die modern gestaltete Ostseite des alten neuen Schlosses: Die atmet 20/21. Jahrhundert, wirkt ein wenig wie ein Architekturrätsel, aus der Ferne betrachtet. Instinktive Vermutung unserer Franzosen: Den Wilhelm II. einfach mit seinem alten Hauptquartier wieder zurückzuholen, hat man sich nicht getraut...?! Ich glaube, das trifft es: Die Ostseite ist unser "Ja, aber..." zum historischen Erbe der Kaiserzeit. Was sich wohl auch in der geplanten Nutzung des Humboldforums ausdrückt: die Weltkulturen sollen dort zur Schau gestellt werden, von der Südsee bis zu den Ovambos. Was dann beim einen oder anderen Touristen eine Washington-artige Überraschung auslösen könnte: Er betritt ein mehr oder weniger historisches Prunkgebäude im nationalen Herzen Deutschlands und stößt auf sich selbst: Samurai-Schwerter? Chinesische Vasen? Maya-Skulpturen?

So wirkt Berlin wie die etwas andere europäische Hauptstadt. Das Zentrum einer Republik, die sich vielleicht ein bisschen schämt, gleichzeitig Nationalstaat zu sein - und die lieber nur "Gesellschaft" wäre? Die sich zu den Sünden vergangener Generationen bekennt und sie zum Teil ihrer Identität macht. Die, obschon humanitär vorbildlich, ein gewisses Problem hat mit der Selbstbejahung als Kollektiv.

Aber die Dinge ändern sich bekanntlich laufend. Alles ist im Fluss, und ich bin gespannt, wie die die politische Selbstwahrnehmung künftig in die Berliner Architektur eingehen wird. Ergo, Berlin ist immer eine Reise wert!

 

 

 

 

Israel: Die große Leichtigkeit und die große Inbrunst 

September 2019

Was verbindet man mit dem Stichwort Israel-Urlaub? Angst vor Raketen? Angeblich ist dort noch nie ein Tourist durch Terror zu Tode gekommen. In Tel Aviv fingen wir an: Eine neue, moderne Stadt, einst in der Nähe des alten Jaffa (Apfelsinen!) angelegt. Als wir uns dem Strand näherten, an dem Tel Aviv sich kilometerlang hinzieht, stieg das Risiko jedoch schlagartig an: E-Roller und, härter noch, E-Räder surren mit ca. 40 kmh auf der Promenade hin und her, ziemlich lautlos, gesteuert von gut gebräunten, sonnenbebrillten Schönen - manche haben noch ein Surfbrett unterm Arm, sicher ist sicher. Die Kollision mit einem dieser Vehikel ist doch viel wahrscheinlicher als von einer Hamas-Rakete geshreddert zu werden! Der Strand als Freiraum, Spielplatz und Jagdgebiet für Paarungswillige wirkt irgendwie zurück auf die Atmosphäre der City: Israels einzige Metropole gilt als das lebensfrohe Miami der Levante, Stadt der Jugend, Oase der Schwulen, fern von Fanatismus aller Art. Die Restaurants und Bars sind abends voll, in den Guten muss man reservieren. Und genug Kleingeld mitnehmen - billig ist woanders. Spaß machten uns die so selbstbewussten wie gut gestylten Einweiserinnen, die die Gäste in Empfang nehmen, vertrösten und ggf. abwimmeln. Bei den Damen, auch bei den grazilen, meinte ich dann am Tisch immer den Militärdienst (Frauen: 2 Jahre, Männer: 3 Jahre) zu spüren: ein resolutes Auftreten, bei Moses, das mitunter wie  Befehlsausgabe klang: Our Menu: Humus, Xy-Salat, Zander, Pastete... Wiederholen Sie ab Guten Morgen, Schlafmütze!! :-) Sie hatten ihren Auftrag, so viel war klar, und den füllten sie mit Vergnügen aus.

Jerusalem ist dann eine ganz andere Welt. Dort kleben die Religionen aufeinander, belauern sich, jeder Quadratmeter ist einem bestimmten Lager zugeteilt, das  gedankenlose TelAviver Motto 'Strand ist nett, Strand ist für alle da!' wirkt dort eine Million Lichtjahre entfernt. Unser Hotel liegt tatsächlich in der Altstadt - auf booking.com war ich vor einem gewissen Geräuschpegel gewarnt worden. Das war untertrieben. Es lebt und brodelt fröhlich, dafür sorgen allein schon die Touristen: Tagsüber schieben sie sich unaufhörlich durch die terrasierten, oft überdachten Gänge, die mit unzähligen Andenkenläden gesäumt sind. Religiöse Reisegruppen singen beim Flanieren / Drängeln ihre Lieder, schwerbewaffnete Soldaten und Polizisten verfolgen das Treiben mit stoisch-desinteressierten Gesichtern. Die jungen Männer und Frauen, die da mit Helm, Splitterschutzweste und Sturmgewehr abwechselnd auf ihr Handy und in die Menge schauen, haben eine völlig andere Ausstrahlung als unsere rotbäckigen, blonden Polizistinnen, die, sagen wir mal, vor dem Eintracht-Stadion für Ordnung sorgen - die kannst du doch jederzeit bitten, dir mal einen Schuh zuzuzubinden: 'Macht sonst immer meine Mama!'

Über die Präsenz der Sicherheitskräfte ist man jedoch nicht unglücklich im Engpass der Altstadt, dem unteren Abschnitt der Via Dolorosa (Kreuzweg), der zum Löwentor führt. Heilig's Blechle, da ist wirklich die Hölle (pardon!) los. Normalotouristen wie wir, dann die Pilgergruppen, manche mit großem Holzkreuz und Inbrunst in den Mienen, aber eben auch der normale Anliegerverkehr: es ist eine Straße in einem dicht bewohnten Viertel, trotz der ganzen Kirchen und Heiligen Stätten, die die Via säumen. Als Deutschen überkommt einen leichte Panik, wenn die Leiber noch von einem Auto bedroht werden, das da mal eben lang muss - und wenn dann noch ein anderes Auto entgegenkommt, scheint der Kollaps zu programmiert. Doch jeder Knoten löst sich nach einigem Geschreie und Gefuchtele wieder auf, und schon fließt wieder alles... Wahnsinn, aber auch so geht es. Am interessanten war der sogenannte Tempelberg: Unten ist die Klagemauer, also das Fundament des einst von den Römern zerstörten jüdischen Tempels. Die Soldaten, die dort in olivgrün beten, haben mitunter das Sturmgewehr noch über der Schulter. Oben, quasi im zeiten Stock, ist der Felsendom mit der spektakulären goldenen Kuppel. Dort fuhr Mohammed einst zum Himmel auf. Die Heiligtümer liegen hier also übereinander - hier einen Konflikt auszulösen, wird immer einfach sein. Endlich verstehe ich die Fernseh-Nachrichten!  

 

Mao Tsetung - Dichter und Vernichter oder: Wer braucht Italiener???

Juno 2019

Die neue Mao-Biographie von A. V. Pantsov und I.E. Levine gelesen. Eine Art chinesische Geschichte des 20 Jahrhunderts, beeindruckend und befremdend: Alles etwas anders als bei uns, grausamer, selbstloser, ästhetischer und vor allem ärmer. Marxismus wurde die Ideologie der Intellektuellen (romantisch) und der Armen (pragmatisch). Ein Viertel der (Land-)Bevölkerung war ganz arm, hatte Vagabunden- und Hilfsarbeiterstatus mit fließendem Übergang zum Banditentum. Leute, die zu vielem bereit waren, um ihr Schicksal zu verbessern! Aber wie gewann Mao all die Bürgerkriege gegen die Nationalisten, wie trieb man schließlich sogar die Japaner zurück? Ideologie allein reichte auch dem Guerilla-"Fisch im Wasser" nicht, kriegsentscheidend waren Geld und Waffen aus der Sowjetunion.

Von Stalins Nachfolger Chruschtschow wollte Mao sich dann in den fünzigern emanzipieren. Im "Großen Sprung" verordnete er dem Land eine brutale Beschleunigung des Industriewachstums. Dies koinzidierte leider 1959/60 mit Dürrekatastropen. Eine fürchterliche Hungersnot war die Folge. Schätzungsweise 30 (40?) Millionen starben, in manchen Provinzen jeder Vierte. Gleichwohl EXportierte die Regierung Reis - Mao wollte sich keine Blöße gegenüber dem Ausland geben. Das Gesicht wahren! Alldieweil schrieb Mao anrührende Gedichte, die sich selbst in der Übersetzung noch wie zarteste Poesie ausnehmen. Wir im Westen hätten mit solch einem Staatschef ein gewisses Problem - tatsächlich steht ein großes Mao-Bildnis auf dem Tiananmen-Platz in Peking. Aus Sicht des chinesischen Partei-Establishments überstrahlen Maos Verdienste seine Missetaten. Wenig bekannt ist, dass er für den Fall eines Atomkriegs in den fünfziger Jahren durchaus positive Erwartungen hatte: "... im schlimmsten Fall würde die Häflte der Mensch sterben, aber die andere Hälfte würde überleben, und der Imperialismus würde vom Antlitz der Erde hinweggefegt und die ganze Welt würde sozialistisch werden." Als der bei diesen Äußerungen anwesende italienische KP-Chef Togliatti fragte, wieviele Italiener einen Atomkrieg überleben würden, knurrte Mao: "Überhaupt keiner. Aber wieso glauben Sie, die Italiener wären so wichtig für die Menschheit?"

 

Deutsche Sprache - nicht mehr "zukunftsfähig"...

Mai 2019

Nach langer Zeit mal wieder (Honig-)"Smacks" gekauft. Kindermampf, ich weiß... Packung studiert: "Enjoy a plant-based breakfast", heißt es da, ferner werden wir auf whole grain cereal irgendwas aufmerksam gemacht. Hmh- auch Kellogg, der nette Ami, kommuniziert jetzt lieber auf englisch mit uns - weil wir deutsche Muttersprachler sind. Ähnlich sehen es schon länger unsere glorreichen Autofirmen. "Park distance control" statt einfach Abstandshalter; tanken tun wir dann "Fuel Save" an der Tanke, dass es sich um Diesel handelt, kann man nur auf den zweiten oder dritten Blick erkennen. Und klar, die alte Capri-Sonne hat sich verjüngt als "Capri Sun". Zwei Dinge faszinieren mich dabei: Dass da ein "Kulturvolk" von einer Sprache in die andere übertritt - ohne gerade erobert und zwangsassimiliert worden zu sein. Zweitens, dass es offenbar nur Retro-Onkel wie mich stört - ergo, dass es keinen Widerstand, keine öffentliche Kritik an dieser Umsprachung gibt.

Sicher, für irgendwas ist das bestimmt gut, wenn wir das Englische als Hochsprache adoptieren und Deutsch in die Dialektrolle, für den Hausgebrauch übrigbleibt. Aber noch besser wäre es, die Muttersprache beizubehalten. Eigentlich müsste eine Bürgerinitiative à la "Deutsch for Future!" gründen. Wer macht mit?  

 

2018

Russland im Juno: Putin ist der Chef

Juno 2018: Die Fußball WM bietet eine schöne Gelegenheit, endlich mal etwas von Russland kennenzulernen. Meine Stationen: Sankt Petersburg, Nischni Nowgorod (Gorki) und Moskau.

Wir sahen prachtvolle neue Stadien mit allem Schnick und Schnack: Putin hat sich die WM etwas kosten lassen. Das Stadion in Petersburg – Kosten ca. 1 Mrd. Euro - sah wie ein riesiges Raumschiff aus, ein Oval, das abends in verschiedenen Farben dramatisch erglühte – Uff, hätte eine deutsche Rothaut da gesagt. Dass Russland zeitgleich in diesem Sommer das Renten-Eintrittsalter der Menschen um 5 Jahre erhöht, ist wohl nix, das in einer westlichen bzw. demokratisch geprägten Gesellschaft funktionieren würde. Aber Putin, das mein bleibendster Einruck der Tour, Putin ist DER Chef.

Immer und überall: Gehst Du in ein Museum und stößt du da auf die Geschichtshelden, vom mittelalterlichen Recken Newski über den Napoleonbesieger Kutusow bis zum Berlin-Eroberer Schukow, dann hängt ganz sicher am Ende der Porträtreihe der Vladimir Putin. Er ist auch bei den Heiligen nie fern, bzw. den Zaren-Reliquien: Auf einem Inselchen vor Petersburg steht die Peter-und-Pauls-Kirche, in der die sterblichen Zaren-Überreste von 300 Jahren Romanow-Dynastie liegen. Neben der Kirche steht wiederum eine mannshohe Bildergalerie mit ca 20 Putinbildern: Im Eishockeydress (mit dem Helm sieht er wie Snoopy aus), halbnackt auf Pferderücken, beim Begrüßen des Fußball-Nationaltrainers etc… Am kuriosesten war  vielleicht das Bild, das ihn in einer Glaskuppel eines kleinen Tauchboots zeigt: Das Boot ist zu neunzig Prozent getaucht, nur die Kuppel mit Putins Kopf ist noch zu sehen. Subtext in einer Gesellschaft mit öffentlicher Debatte: Der Chef geht unter. Niemals würden unsere Politiker freiwillig so ein Bild hergeben. Der fällige Spott ist zu offensichtlich. Aber eben nicht in Putinskaya. Da spottest Du jedenfalls in der Öffentlichkeit nicht…

Der gefühligste, harmonischste Moment der ganzen Tour war für mich die Zugfahrt von Nishni nach Moskau ( dann Rückflug). Denn die Züge sind auf Langstreckenreisen ausgelegt: JEDER Passagier hat eine ausklappbare Liege, in den eigentlichen Abteilen liegen dann drei übereiniander.  Kaum hat man den Zug betreten, kommt eine Kontrolleurin. Sie checkt die Fahrkarte und den Reisepass und gibt Dir einen Stoß mit Bettwäsche – das letzte Mal passierte mir das bei der Bundeswehr, haha. Die Fahrt dauerte nur fünf Stunden, aber andere Passagiere waren natürlich auch schon länger an Bord. Viele dösen im Halbliegen oder wärmen sich mitgebrachtes Essen auf kleinen Kochern auf. Es riecht ein bisschen wie in einer Wohnküche, eine heimelige Stimmung entsteht. Einige Leue um uns herum radebrechten Englisch und sogar ein paar deutsche Brocken; zur Not half oft der Google-Übersetzer auf dem Eifon. (Das spricht dann sogar… unglaublich!) Ein Ingenieur einer Waffenfirma aus Nishnii zeigte mir mit gesundem Stolz die Internetseite seiner Firma: Leichte Maschinengewehre, schwere Maschinengewehre, Raketenwerfer…

Die Russen haben ein entspanntes Verhältnis zu Schießgerät und Kriegszeug. In den Museumsläden findest du mehr Panzer und Plastik-Knarren als bei uns in Spielwarenläden der sechziger/siebziger Jahre. Oder auch aus Holz geschnitzte Kalaschnikows. Ist das nicht seltsam? Unsereiner, aber auch die anderen Westeuropäer sind heute friedlich bis pazifistisch gesinnt: Folge des Blutvergießens in zwei Weltkriegen. Die Russen hatten nicht nur hohe Verluste in beiden Weltkriegen, schlimmer noch war der Russische Bürgerkrieg (1917-21): Knapp zehn Millionen hat jenes Wüten verschlungen, also etwas fünf mal so viel wie der Erste Weltkrieg in Russland. Und trotz all dieser Grauenhaftigkeiten ist die patriotische Kultur der Wehrhaftigkeit heute noch sehr lebendig; der Triumph über Deutschland im Zweiten Weltkrieg wird als Höhepunkt der russisch/sowjetischen Gesichte empfunden wird – davon künden viele Denkmäler, Statuen, Museen, Straßennamen usw. Den überraschenden Einzug der russischen Nationalmannschaft ins Viertelfinale kommentierte ein Putin-Vertrauter so: „… fühlt sich an wie Mai 1945!“ Als friedliebender Bundesbürger zwinkert man da etwas verwirrt mit den Äuglein, aber der Spruch war keinesfalls bös, keinesfalls aggressiv gemeint: Es ging um das Wohlgefühl, die Selbstbestätigung, nach der ja Staaten mindestens so lechzen wie wir Individuen.

 

"Baut sie wieder auf!" Zu Gast auf der Eresburg, Obermarsberg/Sauerland

Anfang Mai 2018 war es schließlich soweit: Ich las auf der Stätte der alten Eresburg, die als heiß umkämpfte Grenzfestung eine wichtige Rolle im Roman (Arnulf I und auch II) spielt. Die Siedlung auf dem Burgberg heißt heute Obermarsberg, ein Ortsteil vom weiter unten liegenden Marsberg (Hochsauerlandkreis). Eine schöne Veranstaltung, gefühlt die Hälfte des Dorfes war da wohl gekommen.  Tatsächlich weilte auf der Eresburg immer wieder Karl der Große, wenn die Festung nicht gerade wieder von den Sachsen zurückerobert wurde: Die militärstrategische Lage erinnert an die heutigen Golanhöhen im israelischen Grenzgebiet. Wer sie hat, beherrscht das Grenzland. Was spricht eigentlich dagegen, diese Burg wieder aufzubauen, zumindest in Teilen? Es wäre dann wohl die einzige Holz-Erde-Stein-Festung in Deutschland, denn es war keine Steinburg. Und Marsberg könnte sich neu erfinden, als Schaufenster ins frühe Mittelalter: Warum nicht einmal im Jahr Ritterfestspiele, vielleicht auch mit einem entsprechenden Theaterstück um Karl den Großen und den Sachsenherzog Widukind? Ich würde solch ein Stück schreiben und spenden -  daran würde es nicht scheitern! Geschichte darf, ja sollte auch Spaß machen, sollte nicht nur für Reue-Rituale taugen. Aufgepasst: Wenn man "Eresburg" googelt, stößt man etwa auf 33.000 Einträge. Googelt man hingegen "Fort Fun", einen Freizeitpark in der selben Region, findet man mehr als zehnmal soviele Einträge. In diesem Sinne: Lieber (Ober-)Marsberger, da geht noch was!

 

Grabschen streng verboten: Me-Too im Mittelalter...

Roman-Lesungen reichere ich gerne mit Einblicken ins mittelalterliche Leben an. Da fügt es sich gut, dass die altehrwürdige Lex Salica (Gesetze der Rheinfranken) einen kompletten Sühnegeldkatalog darstellt für sämtliche Delikte über und unter der Gürtellinie. Überraschende Erkenntnis: Grabschen war mit drastischen Strafen belegt. Zumindest, wenn das Opfer eine Freie war. Die Frau "an der Brust berühren" wurde mit 45 Schilling gesühnt - die gleiche Summe, die die Verstümmelung der Nase beim Mann kostete! Die Schändung selbst: 62 Schilling - genauso viel wie das Sühnegeld für einen abgehackten Fuß ==> weißgott kein Kavaliersdelikt! Bei einer Hörigen /Unfreien hingegen kostete die Vergewaltigung nur 15 Schilling. Denn das Mittelalter war eine Kastengesellschaft, ein riesiger Graben trennte Freie und Unfreie. Letztere unterlagen Körperstrafen, wenn sie vor Gericht nicht zahlen konnten: von der Auspeitschung (Diebstahldelikte) war es dann nicht weit bis zur Kastration.

Übrigens, Damen waren im Todesfall TEURER als Männer: Die Gerichtsbuße betrug 600 Schilling für eine Freie, gegenüber 200 Schilling für einen freien Mann - wenn die Frau im gebärfähigen Alter war. Dahinter stand die schnöde Erkenntnis, dass die Frau der Engpass bei der Fortpflanzung ist. Und dass im Schnitt zwei der Kinder pro Familie überlebten und heranwuchsen - und ebendie waren im Sühnegeld der Frau mit eingerechnet. Eine nicht mehr fruchtbare Frau "kostete" somit ebenfalls 200 Schilling, genausoviel wie der Mann. Die Menschen dachten biologisch, schließlich ging es auch im Alltag oft genug nur um's Überleben.

 

2017

Unterm Christbaum: Harvey Weinstein zu Zeiten von Marlene Dietrich

"Es liegt im Wesen der Frau, passiv, rezeptiv, abhängig von männlicher Agression und zu langem Leiden fähig zu sein" - so formulierte Josef von Sternberg, Regisseur und Liebhaber Marlene Dietrichs in Hollywood. Marlene war offensichtlich nicht nur liebesfähig, sondern auch leidensfähig, erfahren wir in der Dietrich-Biographie "Einsame Klasse" von Eva Gesine Baur (2017 bei C.H.Beck). Herrliches Buch mit vielen indiskreten Einblicken in ihr seltsames Privatleben. Uns begegnet eine Art Revue von Film- und Showstars der dreißiger, vierziger, fünfziger, sechziger Jahre, die früher oder später im Bett mit MD landen. Und später verärgert dem jeweiligen Nachfolger Platz machen... Und doch immer wieder die Klage Marlenes über "Einsamkeit" - eine gewisse Melancholie lag über diesem bacchantisch-lustvollen und doch disziplinierten Leben. Extrem unterhaltsam!

November 2017 - "Plan your future in Zimbabwe...

... and make sure you are counted!"

Dieses Lied warb im Radio für eine anstehende Volkszählung. Wir hörten es oft während der Flitterwochen in Zimbabwe, im schönen Jahr 1992. Es war alles dabei: Übernachtungen in Luxushotels (zu wenig!), auf Sandbänken im Sambesi und in schlichten Park-Lodges. Damals war der alte Mugabe schon eine ganze Weile Staatspräsident. Nun haben seine Generäle ihn offenbar aufs Altenteil geschoben - angeblich waren ihre Fründen bedroht. Durch Patrioten wie "Gucci-Grace", die Frau Robert Mugabes, ungefähr 50 Jahre jünger als er. Der Alte kann sich zugute halten, sein Land zu einem der ärmsten Afrikas gemacht zu haben. Die meisten Menschen kommen mit weniger als 900 $ im Jahr aus. Wie mag der Straßenverkehr dort heute aussehen? Das Taxi, das uns damals zum Flughafen brachte, war ein uralter Peugeot. Zusammengehalten von Draht und Isolierband, der Motor sprotzte bei Drehzahlen über 1500 U/Min. Was meine Frau besonders nervös machte: die Türen schlossen nicht richtig. Ein kleines Abenteuer zum Schluss also... Schade irgendwie! Das Land hat großartige Parks, mit (damals) familientauglicher Urlaubs-Infrastruktur (Messer & Gabel wurden bei Hüttenübergabe jeweils abgezählt! :-)) Allein der Hwange-Park ist so groß wie Schleswig-Holstein, dort hat man wirklich Safari-Gefühle: Allein auf weiter Flur... Ob die Chinesen dort urlauben? Sie gehören zu Zimbabwes letzten Freunden. Shoppen dort Rohstoffe und Edelmetalle. Für profane Dinge wie Regierungsführung und Menschenrechte müssen sie sich nicht interessieren. Gut, dass es Chinesen gibt...       

Oktober 17 - Martin L.: Ein sehr DEUTSCHER Revoluzzer

Querdenker, Revoluzzer oder gar: Rocker - nette Etiketten für jeden, der zwei Zentimeter neben dem Mainstream liegt. Luther war all das, und er war noch mehr: Ein Gewissenstäter. Ich sprenge die alte Kirche in die Luft und gründe eine neue - denn ICH KANN NICHT ANDERS! Mögen Religionskriege folgen, die Welt in zwei gerissen werden - mein Gewissen gebietet es! Und ebendies ist wohl urdeutsch: das moralisch  Gebotene in die Tat umsetzen. Koste es was es wolle... Also: Fragt ihr euch manchmal, was "typisch deutsch" ist, dann dies; Merkels "alternativlose" Flüchtlingspolitik ist ein gar nicht so ferner Nachklang davon. Ein moralischer Höhepunkt der Bundesrepublik, wenn auch nicht unbedingt "Politik" im normalen Sinne. Übrigens, auch die Heilslehre des Marxismus können wir grob zu diesem Feld zählen - eine Art Religion ohne Gott. Und gibt es da nicht diese Partei, die nichts weniger als die Welt retten will? Keine Partei ist "deutscher" in ihrem edlen Streben als Die Grünen!

In diesem Sinne, lobet den Herrn! :-)